Bosse begeistert in Vellmar
“Durchgeschwitzt und megahappy“
Mehr als 1000 zufriedene und glückliche Zuschauer ließ Bundesvision Song Contest-Gewinner Bosse am vergangenen Donnerstagabend bei seinem umjubelten und schweißtreibenden Auftritt in Vellmar (Sommer im Park) zurück.
Im vergangenen Jahr konnte Axel Bosse mit seinem fünften Album (“Kraniche“) den bislang größten Erfolg seiner Karriere verbuchen. Es folgten eine ausgedehnte Tournee mit stets ausverkauften Hallen, diverse gefeierte Festivalauftritte und der Sieg beim Bundesvision Song Contest mit dem Titel “So oder so“. Bevor er zum Jahresausklang zu einer Akustiktour aufbricht, gastiert er mit seiner Band noch bei einigen Sommerfestivals, so auch beim “Sommer im Park“ im nordhessischen Vellmar.
Bereits eineinhalb Stunden vor dem Konzert, beginnt sich ein bunt gemischtes Publikum, vor den noch geschlossenen Eingängen des Vellmarer Festzeltes aufzureihen. “Born to Party“ prangt in großen, auffälligen Lettern auf dem T-Shirt einer Konzertbesucherin, was mich leicht skeptisch stimmt. Jemand der dieses Merkmal explizit auf seiner Oberbekleidung zur Schau stellt, könnte womöglich fürchten, dass es andernfalls von niemanden bemerkt würde. Doch bereits beim Eröffnungssong “Kraniche“ muss ich eingestehen: Axel Bosse versteht es eine Party zu geben und seine Fans wissen zu feiern.
Vom ersten Moment an herrscht eine fröhlich-ausgelassene Stimmung unter den etwa 1000 Zuschauern. Nicht mit Glamour, Show und Allüren sondern mit echter Bühnenarbeit begeistert Bosse sein Publikum. Er versprüht Energie, bewegt sich tanzend, hüpfend oder federnd über die Bühne und fordert mit Erfolg von seinem Publikum den gleichen Einsatz. Verschnaufpausen legt er nur wenige ein, weshalb er – zumal die Temperaturen unter dem großen Zeltdach immens hoch sind – bereits nach dem dritten Lied schweißüberströmt zugibt: “Ich bin nun schon 34 Jahre alt und darum leider jetzt schon am Limit. Freut euch, wenn ihr noch jünger seid und eure Körper noch einwandfrei funktionieren.“
Im Verlaufe der kommenden eineinhalb Stunden erweist sich diese Ankündigung jedoch als unwahr, denn am Limit ist Bosse noch lange nicht. Die Band um Schlagzeuger Björn Krüger, Gitarrist Thorsten Sala und Bassist Theofilos Fotiadis, die seit den Anfangstagen von “Bosse“ dabei sind, präsentieren die Songs um einiges druckvoller als auf den jeweiligen Alben. Leider fehlt Multiinstrumentalist Martin Wenk, der derzeit mit der US-amerikanischen Band Calexico auf Tour ist.
Theofilos Fotiadis
Quelle: Mario Graß
Thorsten Sala
Quelle: Mario Graß
“Das nächste Lied hat mir den Arsch gerettet“, kündigt Bosse den Song “3 Millionen“ an. “Der ist zu einer Zeit entstanden, als ich jeden Tag nur einen Döner gegessen und ansonsten viel getrunken habe“, erinnert der Songwriter sich.
Axel Bosse ist seine Karriere nicht in den Schoß gefallen. Nachdem sein zweites Album floppte, gingen seine damalige Plattenfirma und der junge Musiker getrennte Wege. In dieser unsicheren Zeit ist der Song “3 Millionen“ entstanden. “Herz alle, Konto leer. Was jetzt fehlt, ist ein Weiser für den Weg, für die nächsten Wochen“, heißt es in dem Text, der die Situation des um seinen Traum kämpfenden Musikers beschreibt.
Axel Bosse hat gekämpft, viele Jahre mit zahlreichen Nebenjobs seine Musikleidenschaft finanziert, vor sechs zahlenden Zuschauern in Saarbrücken ein Konzert gegeben (die sechs Zuschauer von damals erhalten bis heute Freikarten für die Konzerte von Bosse), mit viel Herzblut weitere Alben produziert und seine Fangemeinde langsam aber stetig vergrößert. Es ist alles andere als ein gepushter Castingstar, der hier auf der Bühne in Vellmar steht. Axel Bosse ist einen steinigen Weg gegangen, um seinen Traum zu verwirklichen und seinen Lebensunterhalt als Musiker verdienen zu können.
Es ist wohl unter anderem dieser Werdegang, der ihn erdet und dem Publikum das Gefühl vermittelt, `Aki` Bosse sei einer von ihnen. Aber auch mit seiner Performance, wenn er beispielsweise singend durch die Menge spaziert und schließlich auf der Tribüne im hinteren Teil des Vellmarer Festzeltes auftaucht, Wasserflaschen von der Bühne hinunter in das durstige Publikum reicht oder mit unterhaltsamen Ansagen und Anekdoten seine Songs einleitet, versteht er es, Brücken zu den Konzertbesuchern zu bauen.
Nach einer etwas ruhigeren Phase zieht die Band das Tempo noch einmal mächtig an. Die Zeilen von “Die schönste Zeit“ singt das Publikum textsicher mit. Bosse versteht es in seinen Texten einfache, emotionale Bilder zu kreieren, die sich im Kopf der Zuhörer entfalten, als seien es eigene Erlebnisse. („Und wir teilten uns unseren Walkman, das erste Bier, mein Mofa und den Frust. Im Nachtbusfenster der Mond; der erste Kuss war Erdbeerbowle und Spucke.“)
Bei “So oder so“ werden die Tanzbewegungen des Publikums zunehmend ausgelassener. In einem dunklen Bereich nahe am Ausgang, bewegt sich ein junger Mann barfuß und völlig versunken zu der Musik. Auf der bestuhlten Tribüne steht nahezu jeder, mit Ausnahme einer etwa 60jährigen Dame, der die nicht unerhebliche Hitze sichtlich zu schaffen macht, die aber nicht nur mit den Füßen, sondern förmlich mit ihrem ganzen Körper im Rhythmus der Musik wippt. Nicht weit von ihr steht ein etwa ebenso alter Herr, der begeistert, wenn auch knapp am Rhythmus vorbei, mitklatscht, während unmittelbar hinter ihm eine junge Frau ihrem Partner spontan einen Kuss auf die Lippen drückt.
Wo ich auch hinschaue – etwas verbindet all diese unterschiedlichen Menschen miteinander: Sie sind glücklich! Wenn ein Künstler das zu schaffen vermag, hat er viel erreicht. Somit verlassen die Zuschauer nach den Zugaben freudestrahlend und sichtlich zufrieden das tropisch-warme Festzelt, um ihren Flüssigkeitshaushalt an den Getränkeständen schleunigst wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Der Facebookeintrag eines Fans im Anschluss an das Konzert bringt es auf den Punkt: “Durchgeschwitzt und megahappy: DANKE für ein saugeiles Konzert in Vellmar!!“