“Wir müssen den Bauern ihre Würde zurückgeben.“
Sarah Wiener im Gespräch
Auf Deutschlands größter Genussmesse “eat & STYLE“ präsentierte Starköchin Sarah Wiener ihre neue Produktlinie, mit der sie sowohl für Genuss, als auch für Transparenz, Regionalität und Nachhaltigkeit sorgen will. Während der Messe in Köln stand sie mir für ein Gespräch zur Verfügung.
Als ich am frühen Freitagnachmittag die Messehalle in Köln betrete, mache ich mich sogleich auf die Suche nach dem Stand der österreichischen Fernsehköchin. Schon bald entdecke ich ihr charmant lächelndes Gesicht auf einem großen Plakat, das eine Stellwand ihres Messestandes schmückt. Da mir noch einige Minuten Zeit bis zu unserem Termin bleiben, schaue ich mich ein wenig um und mache mir ein Bild von ihrem Sortiment.
An einer kleinen Theke auf der rechten Seite werden einige Backwaren angeboten. Davor befindet sich ein niedriges Holzregal auf dem die bislang veröffentlichten Kochbücher von Sarah Wiener zur Ansicht und natürlich auch zum Kauf bereitliegen. Das Zentrum des Standes bildet ein großes weißes Regal, das mit vielen kleinen Gläschen bestückt ist. Es handelt sich um die neue Produktlinie aus dem Hause “Sarah Wiener“, über die ich mich gleich mit ihr unterhalten möchte. Unmittelbar davor richten zwei freundliche junge Herren eifrig Probierhäppchen an, um die potenzielle Kundschaft von der Qualität der Produkte zu überzeugen.
Auf der linken Seite des Standes fällt mein Blick auf ein kleineres Regal mit fröhlich-bunt bemalten Backformen, in verschiedensten Größen, sowie auf einen runden Holztisch, auf dem eine beachtliche Zahl von unterschiedlichen Messern präsentiert wird. Zwischen all diesen Orten pendelt eine gut gelaunt wirkende Sarah Wiener hin und her. Auf Anfrage signiert sie ihre Kochbücher und steht bereitwillig für Erinnerungsfotos oder Fragen ihrer Fans und Kunden bereit.
Wenige Minuten später sitze ich der engagierten Köchin gegenüber und komme sogleich auf die neue Produktlinie zu sprechen.
M. GRASS: “Ihre Produkte stammen fast ausnahmslos aus biologischem Anbau. Wenn ich durch meinen Supermarkt gehe, scheint es so, als ob Bioprodukte urplötzlich massenhaft aus dem Boden schießen würden…“
S. WIENER: “Prinzipiell würde ich mich sehr freuen, wenn die Bioprodukte tatsächlich aus dem Boden schießen würden. Nur entspricht die mediale Aufmerksamkeit an der Stelle leider nicht wirklich den Tatsachen. Tatsächlich ist die Situation so, dass wir nur 5-6% Bioanbau in Deutschland haben. Die Wahrheit ist, dass wir teure Bioprodukte importieren und Billigfleisch exportieren, was natürlich völlig unsinnig ist. Der Biomarkt ist zudem ein sehr komplexes und vielfältiges Gebilde. Letztlich ist `Bio` ja nichts anderes als eine Trademark. Da gibt es das EU-Bio-Siegel, für mich so etwas wie Bodensatz-Bio, aber auch hohe Zertifizierungen wie beispielsweise `Naturland` oder `Demeter`.“
M. GRASS: “Und genau dieses komplexe Gebilde führt doch dazu, dass selbst Menschen, die sich interessieren und denen es nicht egal ist, was sie essen, mittlerweile ratlos vor den Supermarktregalen stehen…“
S. WIENER: “Ja – leider ist es so, dass der Mensch auf der Straße nicht mehr erkennen kann, was die Produkte wirklich enthalten, welche Qualität sie besitzen und was `Bio` überhaupt bedeutet. Ich selber habe, obwohl ich Köchin bin und mich intensiv mit Ernährung auseinandersetze, Schwierigkeiten zu erkennen, was ich überhaupt esse. Nicht weil ich zu blöd bin, das Etikett zu lesen, sondern weil das Etikett lügt, unvollständig ist oder die Gesetze so sind, dass bestimmte Dinge nicht deklariert werden müssen.
Es gibt Prozenthürden, es gibt technische Hilfsmittel und die ganze Welt der Enzymzusätze, die nicht deklariert werden müssen. Es wird den Konsumenten etwas vorgegaukelt, das nicht meinen Vorstellungen von Qualität entspricht. Das Schlimmste aber ist, dass selbst die Produzenten oft gar nicht wissen, was sie verarbeiten. Man denke nur an den Pferdefleischskandal. Die Industrie stellt Nahrungsmittel her und die Beteiligten wissen selbst nicht, was sie da produzieren. Ich finde das – gelinde gesagt – schockierend.“
Sarah Wiener lehnt sich weit zu mir herüber. Mit ihrer gesamten Körpersprache verleiht sie ihren Worten Nachdruck und bringt auch nonverbal zum Ausdruck, dass ihr das Thema wichtig ist. Davon kann ich mich auch zwei Tage später, während einer Kochshow, die im Verlauf der Messe von diversen prominenten Köchen gestaltet wird, überzeugen. Während manche ihrer Kollegen den Schwerpunkt auf den Showaspekt legen und mit verschiedensten Mitteln – und auf unterschiedlichem Niveau – das Publikum zu unterhalten versuchen, ist es Sarah Wiener auch hier wichtig, ihre Position zu Ernährungsfragen klarzumachen und stattdessen auf den ein oder anderen Lacher zu verzichten.
S. WIENER: “Der Lebensmittelsektor ist derart komplex geworden, dass du enorme Kraftanstrengung auf dich nehmen musst, um den Wegen deiner Lebensmittel nachzugehen. Ich habe es ja selber ausprobiert. Wenn man nachfragt, heißt es: “Ja, der Apfel kommt aus Belgien.“ Kaum jemand weiß aber, dass ein Apfel aus China, der sechs Wochen in Belgien gelagert wurde, zu einem `belgischen Apfel` wird. Was heißt das also überhaupt: `Das kommt aus Belgien` oder `Das kommt aus Deutschland`?
Nehmen wir zum Beispiel ein Huhn aus Deutschland. Kommt das jetzt von einem Hof, auf dem sich die Hühner frei bewegen können oder von einem mobilen Hühnerstall? Handelt es sich um eine alte Nutztierrasse? Wie wurde es gefüttert und wie wurde es geschlachtet? Alle diese Fragen spielen überhaupt keine Rolle. Es kann auch ein Hähnchen von einer Hybridsorte sein, das aus einem Stall kommt, in dem 100.000 Hühner mit kupierten Schnäbeln leben, die mit Soja aus Brasilien gefüttert wurden, die im Sekundentakt geschlachtet werden und niemals Sonne oder Wind gespürt haben.“
M. GRASS: “Und diese unbefriedigende Situation hat dazu geführt, dass sie sich selbst einbringen möchten?“
S. WIENER: “Ja genau! Ich bin mit dieser Nahrungsmittelsituation schlicht nicht einverstanden! Und deshalb habe ich mir gedacht, schauen wir mal, ob wir das nicht selber besser machen können. Wir versuchen, dem Verbraucher ein Stück Vertrauen zurückzugeben und das geht nur auf zwei Wegen. Erstens – die komplette Offenlegung jeglichen Ursprungs. Und zweitens – mit einem einfachen Statement. Ich stelle mich vor meine Lebensmittel und sage offenen Visiers: `Vertraue mir. Ich habe es für dich gemacht, weil du als berufstätiger Mensch nicht die Zeit hast, es selber zu machen.` Das ist die Idee.“
Sarah Wiener breitet bei diesen Worten die Arme weit aus, um zu unterstreichen, dass sie nichts zu verbergen hat. Ihr offener Blick lässt jedoch auch keinen Grund für Misstrauen aufkommen. Sie wirkt vollkommen authentisch. Ich erlebe eine selbstbewusste Frau, der ihre Anliegen wichtig sind und die hier unverkennbar eine echte Herzensangelegenheit vertritt.
S. WIENER: “Natürlich könnte man im Prinzip auch alles selber machen und auf verarbeitete Produkte verzichten. Aber wir leben nun einmal in einer Welt, wo wir in Berlin-Mitte im dritten Stockwerk keinen Zwetschgenbaum haben. Wir wollen daher unsere Marmelade fertig kaufen und auch unser Müsli, statt den Weizen vom Feld in die Küche zu tragen. Da ist es dann schon ganz gut, dass es verarbeitete Produkte gibt. Wir versuchen den Menschen, die wissen wollen, was sie essen, die das Vertrauen in ihre Nahrungsmittel verloren haben, die qualitativ und geschmacklich hochwertige Lebensmittel essen wollen, etwas anzubieten. Und zudem hatte ich auch Lust Produkte zu kreieren, die ich selber gerne esse.“
M. GRASS: “Das heißt, dass sie die Produkte auch tatsächlich persönlich entwickelt haben.“
S. WIENER: “Ja klar – es sind natürlich unsere Rezepte. Die sind mit meinem Team, in meiner Küche, entstanden.“
M. GRASS: “Welche Arten von Produkten sind derzeit erhältlich?“
S. WIENER: “Die Palette ist in zwei Bereiche gegliedert. Da gibt es zum einen Grundnahrungsmittel, wie Kaffee, Tee, Gewürze und Honig. Und zweitens den Bereich von leicht verarbeiteten Produkten. Wir nehmen da aber nicht einfach nur die edle Zutat, meinetwegen biologisch-dynamischen Weizen, sondern bei jeder einzelnen Zutat, vom Honig bis zum Salz- oder Kümmelkorn, handelt es sich um ein Lebensmittel, von dem wir denken: So sollte es idealerweise gemacht sein!“
M. GRASS: “Wenden wir uns doch zunächst den Grundnahrungsmitteln zu, zum Beispiel dem Kaffee.“
S. WIENER: “Gerne – gerade bei diesem Grundprodukt, gibt es viele unbeantwortete Fragen. Der Kaffee in Deutschland stammt in der Regel von diesen riesigen Plantagen. Man weiß aber nie wirklich woher der eigentlich kommt, wer dafür verantwortlich ist und wie der Produzent gearbeitet hat. Es ist nahezu nicht nachzuvollziehen, wer eigentlich meinen Kaffee macht! Kaffee ist ein sehr zehrendes Produkt, das die Böden auslaugt und das eigentlich im Schatten wachsen müsste. Aber dann ist die Pflanze natürlich weniger effizient. Deshalb haben wir diese aggressiven Monokulturen, die den Boden auslaugen.
Es wird massiv gespritzt und die Leute werden zudem schlecht bezahlt. Die Menschen in den Kaffeeländern selbst trinken den schlechtesten Kaffee, weil die ganze A-Ware in die Industrieländer exportiert wird. Ich will all das einfach nicht unterstützen! Wir haben uns deshalb einen Produzenten gesucht, den Herrn Andraschko aus Berlin, mit dessen Familie ich schon seit 30 Jahren verbunden bin. Dem vertraue ich. Der röstet selber und ist ein großartiger Kaffeespezialist. Der fährt mit seiner Frau in jedes Land, aus dem er seinen Kaffee bezieht. Der kennt jeden seiner Bauern. Der prüft bestimmte soziale Fragen und klärt zunächst einmal, ob der Kaffee so angebaut wird, wie wir uns das vorstellen.“
M. GRASS: “Wir müssen aber auch über den Preis sprechen, der natürlich erheblich höher ist, als bei der gängigen Supermarktware.“
S. WIENER: “Wenn du dich regional verwurzelst und Kleinbauern bezahlst, statt die Großhändler, die alles auf der Welt aufkaufen und dann den Preis drücken, schlägt sich das natürlich am Ende auf unseren Verkaufspreis nieder. Trotzdem denke ich, ist es der richtige Weg. Qualität hat ihren Wert und ich denke man sollte die eigene Region stützen. Wir haben zum Beispiel einen ganz tollen Kümmel, der wirklich eine großartige Qualität hat. Der hat zum Beispiel einen viel höheren Ölgehalt, als exportierter Kümmel.“
M. GRASS: “Wo kommt ihr Kümmel her?“
S. WIENER: “Der kommt aus Hessen von Herrn Weber, der mit seinem Vater einen 60 ha großen Ackerbetrieb bewirtschaftet. Der Kümmel wächst da wahnsinnig gut und das schon seit hunderten von Jahren. Ich finde es wichtig, Kleinbauern in meinem Land zu fördern, auch wenn es am Ende teurer ist. Ich möchte einfach die Möglichkeit haben ungespritzte, unbelastete, unbegaste, unbestrahlte, ehrliche Ware zu beziehen, von Leuten, denen ich vertraue.“
M. GRASS: “Es ist ihnen offenkundig sehr wichtig, die Produzenten möglichst persönlich zu kennen.“
S. WIENER: “Ja, denn da gibt es auch noch einen anderen Aspekt, den ich ganz wichtig finde. Man muss den Kleinbauern ihre Würde zurückgeben. Die haben sich so gefreut, dass ich wissen wollte, wie sie heißen, dass ich wissen wollte, von wem das Produkt kommt und aus welchem Ort. Das haben die schließlich seit Jahren nicht erlebt.
Die geben ihre Waren ab, irgendwo in der Fabrik oder im Silo, und dann hörst und siehst du nie wieder etwas davon.. und das macht ja etwas mit den Menschen. Stell dir vor, du arbeitest den ganzen Tag, gibst dir wirklich Mühe und am Ende ist ohnehin alles egal. Dein Produkt wird irgendwo hingeschüttet und dann kommen noch Geschmacksverstärker dazu und Zusatzstoffe und künstliche Enzyme. Man sollte den Bauern ihre Würde und die Wertschätzung zurückgeben. Die sollen auch wieder stolz sein, auf das was sie machen und nicht als Bittsteller degradiert werden.“
M. GRASS: “Wir sollten noch auf ihre `Cornitüre` zu sprechen kommen, ein Produkt, das ihnen wohl besonders am Herzen liegt.“
S. WIENER: “Ja – das ist eine Wildpflaumenmarmelade, aus der Kea-Pflaume.“
Sarah Wiener lächelt über das ganze Gesicht und in ihren strahlenden Augen ist ihre Liebe zu diesem Produkt abzulesen.
S. WIENER: “Die wächst in Cornwall. Davon gibt es weltweit nur noch etwa 20 ha.“
M. GRASS: “Da frage ich mich natürlich, ob es nicht auch in Deutschland leckere Pflaumen gegeben hätte…“
S. WIENER: “Wahrscheinlich schon. Aber diese Wildpflaume würde es nicht mehr geben, wenn man sie nicht fördern würde. Die ist so klein und in der Verarbeitung so mühsam, dass sich keiner mehr die Arbeit machen will. Ich habe sie zufällig gefunden, weil auch unser Tee dort wächst. Da habe ich diese verwilderte Plantage entdeckt, bin dann ganz neugierig hingelaufen und ich war so begeistert, dass ich sofort dachte: Es muss diese Pflaume sein! Sie hat einen so hohen Pektingehalt, dass sie keinen Gelierzucker und kein künstliches Pektin braucht. Die Pflaumen werden nur gekocht und sind einfach toll von der Konsistenz und vom Geschmack.“
M. GRASS: “Sie versuchen damit also auch eine Obstsorte zu retten.“
S. WIENER: “Auf jeden Fall, denn viele Obst- und Gemüsesorten, aber auch Tierrassen verschwinden, wenn sich niemand darum kümmert. Aber, um auf ihre Frage zurückzukommen, natürlich haben wir hier in Deutschland auch tolle Pflaumen, aber ich kann ihnen hiermit eine Pflaume präsentieren, die sie eben noch nicht kennen und ich finde die braucht einen Schutz und um etwas zu schützen, musst du es verkaufen. Das gilt für die Mangalica- oder die Duroc-Schweine oder eben auch für die Kea-Pflaume. Und die Situation war einfach so, dass ich den Ort kenne, den Gärtner kenne, die Pflaume kenne… also wer soll sich dieser Pflanze annehmen, wenn nicht ich?“
M. GRASS: “Ist in der Zukunft eine Ausweitung ihrer Produktpalette geplant?“
S. WIENER: “Ja. Wir haben da ein paar Sachen in Planung. Es wird weitere Brotaufstriche geben. Wir sind da in der Vorbereitung. Das ist aber alles sehr mühsam, denn wir arbeiten saisonal und regional und wir suchen auch immer etwas Besonderes. Ich kaufe eben nicht irgendeine Tomate, auch wenn sie gut ist, sondern wenn ich eine Tomate nehme, dann muss das eine ganz besondere Tomate sein, von einem besonderen Menschen, am besten von Familien- und Kleinbetrieben. Das braucht eben alles seine Zeit. Das ist aber auch wichtig! Wir versuchen mit unseren Produkten, unseren Werten und unserem Idealismus zu entsprechen.“
M. GRASS: “Wenn man den saisonalen Aspekt wirklich ernst nimmt, kann es dann nicht auch mal vorkommen, dass ein Produkt nicht verfügbar ist?“
S. WIENER: “Ja klar! Wenn es aus ist, ist es aus. Unsere grüne Soße ist zum Beispiel im Moment aus. Aber ich finde das ohnehin einen Wahnsinn, dass immer alles verfügbar ist. Diese permanente Verfügbarkeit führt doch auch zu dieser Wegwerfgesellschaft, in der man die Dinge gar nicht mehr zu schätzen weiß, weil es alles immer überall gibt. Ich möchte da auch den Lebensmitteln ihre Würde zurückgeben.“
M. GRASS: “Und da spielen ihre Geschäftspartner auch mit? Das gibt keine Probleme?“
S. WIENER: “Tja, schaun mer mal …“
In Sarah Wieners Augen blitzt sichtbarer Abenteurergeist auf.
S. WIENER: “Das ist ja auch ein Lernprozess für alle. Ich will mich da einfach nicht gedanklich zensieren. Man muss auch mal mutig denken und etwas ausprobieren. Natürlich holt man sich da auch mal blaue Flecken. Aber das Spannende ist ja auch, dass wir im Ursprung nicht von der Lebensmittelbranche kommen, sondern wir kommen vom Idealismus.“
M. GRASS: “Nun kenne ich sie aus Fernsehsendungen und Kochshows und da entwickelt sich ja auch ein Bild, das man von einem Menschen hat. Sie wirken auf mich als Persönlichkeit und auch in ihrem Kochstil, wie ein Mensch mit einer klaren Richtung, der nicht jedem Trend hinterherrennt und der auch nicht ständig Applaus braucht. Finden sie sich in der Umschreibung wieder?“
S. WIENER: “Ja.“
Diese Charakterisierung freut Sarah Wiener sichtlich, macht sie aber auch leicht verlegen, was meinen gerade vermittelten Eindruck in gewisser Weise sogleich bestätigt.
M. GRASS: “Ich dachte daher auch sofort, als ich mich mit ihren neuen Produkten befasst habe: Ja, das passt.“
S. WIENER: “Schön…das freut mich ehrlich.“
M. GRASS: “Jetzt kommt leider auch ein `aber`. Als ich mir vorhin ihren Messestand angeschaut habe, und die Sarah Wiener-Messer und Sarah Wiener-Backformen gesehen habe, da dachte ich: Das hätten jetzt auch ihre – zumeist männlichen – Kollegen sein können.“
S. WIENER: “Nein, nein, nein.“
Aufgeregt fällt mir Sarah Wiener ins Wort.
S. WIENER: “Da gibt es kein `aber`. Nein! Eben nicht! Oh – das ist so gut, dass Sie das ansprechen!“
Sarah Wiener geht eilig zu dem Tisch, auf dem ihre Messerkollektion präsentiert wird.
S. WIENER: “Ich arbeite mit der Firma Pott zusammen. Das ist eine alte Messermanufaktur in einem Dorf bei Solingen, ein Familienbetrieb der Familie Seidel. Die Messer werden weitestgehend in Handarbeit und zu hundert Prozent in Deutschland hergestellt. Ohne Fabrik und ohne Fließband.“ Sarah Wiener reicht mir ein Messer, das nicht nur schick aussieht, sondern auch ausgesprochen gut in der Hand liegt. “Dieser Griff ist aus nachhaltigem Zwetschgenholz. Die Messerserie habe ich entworfen.“ Sie betont das Wort `ich` deutlich. Da schwingt Stolz mit, aber auch der Wunsch herauszustellen, dass es einen persönlichen Bezug zu den Messern gibt und diese nicht nur mit ihrem prominenten Namen vermarktet werden.
S. WIENER: “Es geht hier um genau das Gleiche, wie bei den anderen Produkten. Es geht darum Handwerk, Nachhaltigkeit und Achtsamkeit zu stärken. Neben dem Zwetschgenholz haben wir auch Walnusswurzelholz verwendet, das ich als Rest bei einem Tischler gesehen habe. Bevor das wegschmissen wird, verarbeiten wir das doch lieber zu Griffen und das sind Messer, die können sie über Generationen weitervererben. Das sind auch keine Angebermesser, sondern welche die funktionieren. Ich gebe da nicht einfach meinen Namen für ein Produkt her, wo dann hunderttausende, die über Asien hierhergeschafft werden, verkauft werden. Das sind Messer, von denen ich weiß, dass ich das Richtige fördere, nämlich Handwerk, Regionalität und Nachhaltigkeit. Diese Messerlinie gibt es jetzt im dritten Jahr und vielleicht werde ich irgendwann in den nächsten zwanzig Jahren damit wenig aber stetig verdienen. In erster Linie geht es dabei aber um pure Liebhaberei.“
M. GRASS: “Ich nehme an, sie können mich auch bezüglich der Backformen beruhigen…“ Sarah Wiener führt mich lächelnd zu dem Regal, auf dem die farbenfrohen Formen ausgestellt sind.
S. WIENER: “Die Produkte sind alle aus Emaille und werden von der Firma Riess, das ist die letzte Emaillefabrik in Österreich, hergestellt. Ein Familienbetrieb in der sechsten Generation. Es ist eine der wenigen Fabriken, die eine positive CO²-Bilanz aufweisen können, weil der Großvater damals am Fluss ein eigenes Kraftwerk gebaut hat, mit dem der Strom für den Ofen produziert wird. Mit dessen Abwärme wird wiederum der Trockenofen betrieben und mit dem Trockenofen wird die ganze Fabrik beheizt.“
Sarah Wiener greift zu einer weißen Muffinform, die mit einem breiten, pfirsichroten Streifen dekoriert ist, und hält diese in die Höhe.
S. WIENER: “Das ist alles Handarbeit. Sie sehen, dass das alles ein bisschen schräg ist.“
In der Tat ist der besagte Streifen nicht exakt waagerecht.
S. WIENER: “Jedes einzelne Stück ist ein Unikat und wurde per Hand in Farbe getaucht. Das sind zum Teil Formen die Hunderte von Jahren alt sind. Emaille ist das nachhaltigste Kochgeschirr, das es gibt. Emaille ist zu 100% recycelbar und es ist der beste Hitzeleiter. Sie können darin einfrieren. Sie können es auf jedem Herd benutzen… von Induktion bis Holz und sie können es vererben, denn selbst wenn da mal etwas absplittert, ist das zwar ästhetisch vielleicht ärgerlich, aber es macht im Grunde nichts. Also – wenn es irgendetwas Tolles gibt, dann ist es Emaille! Und das muss gefördert werden, weil es leider so ein altbackenes Image hat.“
Ich habe im Verlaufe unseres Gesprächs eine sympathische, authentische Frau kennengelernt, die spürbar für ihre Produkte und die Anliegen, auf denen diese basieren, brennt. Davon konnte ich mich während des Gesprächs sowie im Verlauf der dreitägigen Messe, überzeugen.
M. GRASS: “Frau Wiener – vielen Dank, dass sie sich die Zeit genommen haben.“
S. WIENER: “Ich danke auch. Es war sehr nett und fühlen sie mir bitte auch in Zukunft auf den Zahn!“