„Nichts. Was im Leben wichtig ist“ (Studio Lev – Kassel)
Auf der Suche nach der Bedeutung
Das Stück „Nichts. Was im Leben wichtig ist“, basierend auf den Roman der Autorin Janne Teller und in einer Fassung von Janis Knorr, feierte am vergangenen Donnerstag Premiere in Kassel. Die jungen Nachwuchsschauspieler*innen und das Produktionsteam wurden zu Recht mit großem Applaus gefeiert.
“Give me two good reasons why I oughta stay“, heißt es in dem satirischen Song “Sunny Afternoon” (The Kinks). Mit dem ironischen Lied über einen wohlhabenden Mann, dessen Lebensideal im Faulenzen während eines sonnigen Nachmittags zu bestehen scheint, wird ein sehenswerter Theaterabend in der Kasseler Eventlocation UK14 eröffnet, der dem Publikum mehr als nur zwei Gründe bietet, zu bleiben.
„Nichts bedeutet irgendetwas, deshalb lohnt es sich nicht, irgendetwas zu tun.“ Mit dieser provokanten, nihilistischen These durchbricht der Schüler Pierre-Anthon die vorgeblich entspannte Stimmung. Konsequenterweise bleibt er fortan dem Schulunterricht fern, blickt stattdessen aus einem alten Pflaumenbaum auf seine Altersgenossen hinab und stellt deren Haltungen und Werte infrage.
Mit dem Ziel, Pierre-Anthons Behauptung zu widerlegen, sammeln dessen Mitschüler*innen bei geheimen Zusammenkünften in einem stillgelegten Sägewerk Gegenstände, die ihrer Ansicht nach sehr wohl eine Bedeutung besitzen. Doch schon bald gehen ihre Vorstellungen über das Anhäufen materieller Objekte hinaus. Die Jugendlichen fordern voneinander persönliche Opfer, wodurch eine Spirale aus psychischer, physischer und sexueller Gewalt ausgelöst wird.
Die Geschichte basiert auf einem dänischen, vielfach ausgezeichneten Jugendbuch der Autorin Janne Teller aus dem Jahr 2000, welches seit seiner Veröffentlichung kontrovers diskutiert wird und in Dänemark zeitweise an Schulen gar verboten war.
Unter der Regie von Janis Knorr, der in Kassel aufgrund seiner Inszenierungen am Staatstheater („Die Leiden des jungen Werther“, „Der NSU-Prozess. Die Protokolle“, „Kasimir und Karoline“ u.a.) bekannt ist, erarbeiteten sieben junge Erwachsene gemeinsam mit einer Band und zahlreichen kreativen Köpfen die aktuell zu erlebende Bühnenfassung, die den bedeutungsschweren Inhalt mit Humor zu durchbrechen versteht.
Für den Regisseur, der den Stoff bereits seit Längerem im Kopf hatte, bedeutet die Arbeit eine Rückkehr zu seinen Wurzeln, stand er doch als Jugendlicher vor mehr als 10 Jahren auf der Bühne des Studio Lev, womit der Grundstein seiner zukünftigen Theaterlaufbahn gelegt worden ist. Gemeinsam mit Krystian Köhn (musikalische Leitung) wählte er Pop- und Rocksongs aus, die einzelne Szenen und Charaktere assoziativ und emotional ergänzen. Diese reichen von den eingangs erwähnten Kinks über Björk bis hin zu den Talking Heads und Nirvana, wobei die von Marco Schlotzhauer fabelhaft gesungene Version des Bruce Springsteen-Songs „Dancing in the Dark“ sowie das mitreißende und mit Szenenapplaus bedachte „Bohemian like you“ (Dandy Warhols) zu den Höhepunkten zählen.
Die Choreografin Anna Winter entwickelte ästhetisch ansprechende Bewegungsabläufe für die Schauspieler*innen. Deren in ihrer Einfachheit wirkungs- und geschmackvollen Kostüme, die zwischen Uniformität und Individualität changieren, wurden von Ariella Karatolou entworfen.
Nach einem Casting im März dieses Jahres wurden sieben junge Menschen im Alter von 15 bis 27 Jahren ausgewählt, um die Figuren auf der Bühne zu verkörpern. Christine Starke, Emilia Sopicki, Leo Löber, Marco Schlotzhauer, Martha Rüdiger, Paula Schulze und Hasan Valeriev versprühten bei der Premiere am vergangenen Donnerstag Enthusiasmus und Leidenschaft, die sich auf das begeisterte Publikum übertrugen.
So wurde der sowohl zum Nachdenken anregende als auch unterhaltsame Theaterabend, in dem für junge Menschen (aber nicht ausschließlich für diese!) essenzielle Themen und Fragen beleuchtet werden, zu Recht mit großem Applaus bedacht.